Senf dazu: Geschwätz und Reaktion statt Zukunft
Und tatsächlich kann inzwischen jede im Bundestag vertretene Partei ihre Netzpolitiker vorzeigen. Entsprechend ist man sich parteiübergreifend einig, dass es keine neue Kraft mehr braucht, die den Bereich als ihr Kernthema betrachtet. "Das Thema ist jetzt in ganzer Breite bei allen Parteien angekommen, entsprechend weniger interessant sind nun die Piraten", sagte beispielsweise Konstantin von Notz, der für die Grünen in der Enquete-Kommission saß, gegenüber der Welt. Und der Kommissions-Vorsitzende Axel E. Fischer von der CDU bestätigt: "Das Thema Einzug der Piratenpartei in den Bundestag halte ich jedenfalls für erledigt."
Problematisch wird es allerdings, wenn man versucht, den netzpolitischen Frühling, der die Etablieren erfasst haben soll, in der Praxis aufzuspüren. Hier wirken die vermeintlichen Lichtgestalten der Erneuerung doch eher wie Maskottchen, die zwar hübsch anzuschauen sind, im Alltagsgeschäft aber nichts zu suchen haben. Sie schafften es kürzlich nicht einmal, die breite Ablehnung von Aktivisten bis hin zu den großen Wirtschaftsverbänden zu nutzen, um die Einführung des Leistungsschutzrechtes für Presseverlage zu stoppen.
Und dabei handelt es sich streng genommen eher um ein marginales Thema, das außer einigen Internet-Firmen und Bloggern kaum jemanden betrifft. Unter dessen ist unter dem Radar eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes bis in die Abstimmung im Bundestag gelangt, die den Behörden bei der Bestandsdatenabfrage mehr Freiheiten einräumt und das Potenzial eröffnet, dass jeder Internet-Nutzer selbst bei kleineren Ordnungswidrigkeiten komplett durchleuchtet werden kann.
Von den gelobten Netzpolitikern war zu diesem Thema schlicht nichts in der Öffentlichkeit zu vernehmen. Auch wenn sich die Runde der Netzaktivisten hier den Vorwurf gefallen lassen muss, sich vom Leistungsschutzrecht hat ablenken zu lassen und die Bestandsdatenauskunft so erst jetzt - kurz vor der Abstimmung im Bundesrat - etwas Aufmerksamkeit erfährt, wäre es doch gerade hier wünschenswert gewesen, dass aus den Reihen der Abgeordneten auf das Problem aufmerksam gemacht wird.
Doch die Behauptung von Kretschmer und Koeppen, dass jetzt endlich "Verantwortung für die Zukunftsthemen" übernommen wird, bezieht sich nicht einmal auf die angeblichen Netzpolitiker, sondern sogar auf die Bundesregierung. Bisher ist in der Realität aber nicht viel zu erkennen, was hier anders wäre, als noch vor einigen Jahren.
Eine breite Debatte zum Urheberrecht, die alle Betroffenen einbezieht, gibt es nicht nur nicht. Sondern selbst bei einfachen Fragen wie der so genannten Gema-Vermutung, wonach erst einmal jegliche öffentlich gespielte Musik so lange als gebührenpflichtig gilt, bis das Gegenteil bewiesen ist, sieht der Bundestag schlicht keinen Handlungsbedarf. Eine größere Reform, wie sie von verschiedenen Seiten als notwendig angesehen wird, ist da schon nirgendwo in Sicht.
Und auch andere Projekte kommen kaum voran. So fordern Verbraucherschützer seit Jahren eine Entschärfung des Abmahnwesens und einen besseren Datenschutz für Anwender. Anläufe, die Gesetzgebung entsprechend anzugehen, endeten letztlich immer damit, dass die Regelungen letztlich so stark aufgeweicht wurden, dass es maximal in kleinen Randbereichen zu einer Besserung der Lage kam. Ein klares Bekenntnis zur Netzneutralität fehlt seitens der Regierung sogar völlig.
Aktuell steht eher zu befürchten, dass sich die Situation in der Netzpolitik sogar weiter verschlimmert. Eine wachsende Protestbewegung und das Entstehen organisiert arbeitender Gruppen sorgten in den vergangenen Jahren noch dafür, dass vom Zugangserschwerungsgesetz bis hin zum Handelsabkommen ACTA einige Projekte vom Tisch kamen. Angesichts dessen, dass die Piraten inzwischen in Umfragen wieder klar unter der 5-Prozent-Marke liegen - durchaus auch aus eigenem Verschulden - und Verbände wie die Digitale Gesellschaft längst nicht die nötige Durchschlagskraft entwickeln, fühlen sich die Sicherheits-Prediger der Union wieder berufen, ihre Stammwähler zu bedienen und den Abbau von Bürgerrechten voranzutreiben.
Und auch ein eigener Staatsminister für Internet-Fragen, wie ihn die Enquete-Kommission in ihrem Bericht vorgeschlagen hat, wird wohl maximal als Feigenblatt taugen. Denn wie der Philosoph und Mathematiker Gunter Dueck anmerkte, ist das Internet kein eigener Bereich der Gesellschaft, der von bestimmten Fachpolitikern bearbeitet werden muss, sondern eine Basis-Infrastruktur, die sich durch alle Lebensbereiche zieht. Und diese steht im Begriff, von der Politik und den Netzbetreibern immer stärker durchreguliert zu werden - was somit unweigerlich Auswirkungen auf das gesamte Bild dieser Gesellschaft haben wird.
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Christian Kahle
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