Surface-Pro-Test: Nicht Fisch, nicht Fleisch, nicht Tofu

Mit einiger Verspätung zum US-Start ist das Surface Pro nun ab heute auch hierzulande verfügbar. Wir haben das x86-Gerät mit vollwertigem Windows 8 ausführlich getestet und sind hin- und hergerissen.
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220 Gramm: So viel "kostet" die Möglichkeit, auf einem Microsoft-Tablet alle Programme installieren zu können, die man vom PC her kennt bzw. sie dort nutzt. Zumindest gilt diese Gewichtsabgabe im Vergleich zum Windows-RT-Tablet Surface RT.

Anders ausgedrückt: Für ein "Tablet" ist das Surface Pro ein ganz schön schwerer "Klopper". Das Gewicht spürt man sofort, nachdem man es erstmals in die Hand genommen hat, vor allem dann, wenn man ARM-Tablets gewohnt ist, die im Schnitt um die 600 Gramm wiegen (Surface RT: 680 Gramm).

Als klassisches Tablet ist das Einsatzgebiet deshalb vor allem auf das heimische Sofa eingeschränkt, wo man das Gerät auf den Oberschenkeln anlehnen kann. Beim Halten in einer Hand merkt man die 900 Gramm nach kürzester Zeit. Beispielsweise in der U-Bahn ist das Gerät also nur sehr begrenzt benutzbar, zumindest wenn man nur einen Stehplatz hat und sich mit einer Hand irgendwo anhalten muss (und seine Freizeit lieber vor dem Rechner als in der Kraftkammer verbringt).


Das liegt natürlich nicht ausschließlich an der verbauten Hardware, zumindest jener, die im Gerät steckt. Auch das VaporMg-Gehäuse sorgt für ein paar zusätzliche Gramm, wobei man dafür eine hervorragend verarbeitete und vor allem sehr widerstandsfähige Geräteoberfläche bekommt. Der kleine Bruder des Surface Pro, bei dem VaporMg ebenfalls verbaut wird, musste zwar einiges an Kritik einstecken, an der Robustheit des Geräts hatte aber niemand etwas zu bemängeln.

Dickes Ding
Das Surface Pro ist allerdings nicht nur schwerer sondern auch spürbar dicker und zwar um immerhin 4,1 Millimeter (Pro: 13,5 mm, RT: 9,4 mm). Grund dafür sind die Lüftungsschlitze, die sich auf allen vier Seiten befinden - was in etwa so aussieht, als würde die hintere Abdeckung des Gehäuses nicht richtig eingerastet sein, aber eben Absicht ist. Kleiner Hinweis dazu: Für einen genauen Blick auf die Hardware sei unser Hands-On-Video empfohlen (siehe oben), am besten in der HD-Version, die man in der rechten oberen Ecke einschalten kann, nachdem das Video gestartet ist, also nach der Werbung. Surface Pro im TestGut zu sehen: die Lüftungs des Surface Pro Und diese Kühl-Lösung des Surface Pro ist auch mehr als notwendig: Der Intel-Core-i5-Prozessor (zwei Kerne mit 1,7 GHz), der im Surface Pro für die Rechenleistung sorgt, wird nämlich sehr bis extrem warm. Bei rechenintensiven Anwendungen wie Spielen oder HD-Videos wird das Surface Pro regelrecht zur Herdplatte. Hat man das Gerät im Schoss bzw. auf den Oberschenkeln liegen, dann fühlt sich das Tablet recht bald einigermaßen unangenehm an.

Trotz der spürbar hohen Temperaturentwicklung der CPU des Surface Pro kam es bei unserem Test nie zu klar erkennbarer Überhitzung, zumindest liefen geöffnete Programme ohne Performance-Einbrüche weiter, auch wenn das Gerät selbst eine hohe Temperatur entwickelt hat. Das Lüftergeräusch, das bei Last zu hören ist, kann man übrigens als verhältnismäßig dezent bezeichnen, es stört deshalb auch nicht besonders.

Full-HD mit Abzügen in der B-Note
Generell kann man den 10,6 Zoll großen Full-HD-Bildschirm (1920 × 1080 Pixel) des Geräts als sehr gut bezeichnen. Das Display ist leuchtstark und bietet kräftige Farben. Das Durchscheinen der Hintergrundbeleuchtung (das so genannte "Backlight Bleeding"), das einige Tester bemängeln, war bei unserem Testgerät zwar vorhanden, man kann es aber (in unserem Fall) als minimal bezeichnen. Surface Pro im TestGuter Full-HD-Bildschirm mit einer Auflösung von 1920 × 1080 Pixel Bei einem schwarzen Hintergrund, maximalem Kontrast und einem vollständig abgedunkelten Raum konnten wir an der Unterseite zwar mit viel "gutem" Willen gewisse Unregelmäßigkeiten bei der Ausleuchtung erkennen, in der Praxis spielte das aber eigentlich gar keine Rolle und minderte auch nicht die Qualität der Optik.

Letzteres gilt allerdings nicht für Skalierungsprobleme: Aufgrund der hohen Pixeldichte muss das Betriebssystem die Bildschirmelemente aufblasen. Von Haus beträgt dieser Wert 150 Prozent, was aber bei einigen Elementen zu einem etwas verschwommenen Bild führt. Setzt man diesen Wert auf 100 Prozent, ist zwar alles wieder knackscharf, aber gleichzeitig an manchen Stellen zu klein, insbesondere bei Elementen und Symbolen in der Desktop-Ansicht.

Stift und Schrift
Der Bildschirm des Surface Pro unterstützt auch eine weitere Eingabemethode, die von Microsoft auch recht intensiv beworben wird: der Stift-Input. Ein passender (druck- aber nicht neigungsempfindlicher) Stylus liegt dem Tablet auch bereits bei. Und das Ganze funktioniert gut: Die Erfassung von Handschrift arbeitet sehr genau, selbst bei Notizen der Marke Saukralle. Surface Pro im TestDie Handschrifterkennung funktioniert gut, Korrekturen können schnell vorgenommen werden Dazu muss im Rahmen der virtuellen Tastatur zunächst auf Stift-Eingabe umgestellt werden, woraufhin am unteren Rand ein zweizeiliges Feld erscheint, in dem man dann wie auf Papier schreiben kann. Die Notizen werden praktisch sofort umgewandelt und erscheinen im dazugehörigen Dokument - Office 2013 ist auf dem Surface Pro hierzulande übrigens nicht vorinstalliert - nach dem Betätigen der virtuellen Eingabe-Taste.

Korrekturen können gleich im Rahmen der eingeblendeten Schreibfläche, also der virtuellen "Tastatur", vorgenommen werden. Diese Korrektur ist auch ziemlich selbsterklärend (gelöscht wird etwa per Durchstreichen eines Wortes oder einer Passage) und geht auch innerhalb kürzester Zeit gut von der Hand. Apropos Hand: Wenn das Surface Pro regisitriert, dass sich ein Stift in der Nähe bzw. über dem Display befindet, dann kann man die Hand ruhig auf dem Bildschirm "parken", also abstützen, da die Touch-Funktion nur für den Stylus aktiv bleibt.


Die Frage nach dem "Wozu?" ist hingegen deutlich schwieriger zu beantworten: Zweifellos gibt es eine treue Anhängerschaft für handschriftliche Notizen, diese findet sich vor allem im professionellen Umfeld. Darüber hinaus kann man die Stiftbedienung aber nur als Spielerei ohne besonders großen Mehrwert bezeichnen. Das liegt auch daran, dass man das Surface Pro aufgrund des hohen Gewichts nicht sonderlich bequem oder lange in der (einen) Hand halten kann, um mit der anderen zu schreiben.

Kickstand-Krampf und Keyboard-Klick
Ein typisches Merkmal im Zusammenhang mit der Bedienung bringt das Pro wie der RT-Vorgänger mit, nämlich den Kickstand. Dieser ausklappbare Ständer ist zwar im Grunde eine feine Sache, hat aber ein großes Problem: Er hat nur einen einstellbaren Winkel von 22 Grad. Dadurch kann man das Tablet zwar bequem auf dem Tisch platzieren, aber eben nur in einer Position. Abhängig von der Sitzhöhe bzw. jener des Tisches steht das Surface dadurch mal besser, mal schlechter, entsprechend ist die Nutzung gelegentlich auch mal etwas bis sehr unbequem.

Surface Pro im TestSurface Pro im TestSurface Pro im TestSurface Pro im Test

Ebenfalls Surface-typisch ist die magnetisch anklickbare Tastatur-Lösung: Wie beim Surface RT kann auch die Pro-Variante mit einem Keyboard "erweitert" werden, dieses dient im zugeklappten Zustand auch als Display-Schutz. Bekanntlich gibt es zwei Varianten dieser Tastatur und zwar das Touch und das Type-Cover.

Ersterem fehlen aber "echte" Tasten, das Tippen fühlt sich an, als würde man auf einer (unwesentlich gepolsterten) harten Fläche tippen. Das Type-Cover hat dagegen echte Tasten mit fühlbaren Druckpunkten. Erstere Version ist zweifellos nur eine Notlösung für Zwischendurch, auf dem Type-Cover kann man dagegen (nach einiger Eingewöhnung) ganz gut und auch länger tippen. Eine echte bzw. hochqualitative Tastatur ersetzen aber beide Cover-Varianten nicht.

Akku: Autsch!
Die Tatsache, dass das Surface Pro von der Technik her eher als Laptop bezeichnet werden muss und weniger als Tablet, hat auch einen weiteren (hohen) Preis: die Akkulaufzeit. Die Batterie hat eine Kapazität von knapp 5700 mAh. Das klingt auf dem Papier zwar noch durchaus brauchbar, in der Praxis erweist sich der Akku aber als die größte Schwachstelle des Geräts.

Bei durchschnittlicher Nutzung (Websites, Fotos, Textverarbeitung plus das eine oder andere YouTube-Video) sowie mittlerem Kontrast, schreit das Surface Pro nach bereits vier Stunden nach Strom. Im Gaming-Einsatz schafft man es, diesen Wert sogar noch zu unterbieten.

Surface Pro im TestSurface Pro im TestSurface Pro im TestSurface Pro im Test
Surface Pro im TestSurface Pro im TestSurface Pro im TestSurface Pro im Test

Beim Thema Spiele kann man noch ein bis zwei Augen zudrücken, für die meisten Profi-Anwender stellt die geringe Akkulaufzeit aber ein absolutes No-Go dar. Zum Vergleich: Ein Ultrabook hält im Normalfall mindestens fünf Stunden, ein ARM-Tablet sogar acht bis zehn. Das Ladegerät ist also der beste Freund des Surface-Pro-Besitzers. Apropos Ladegerät: Das hat eine kleine, aber sehr feine Funktionalität: nämlich einen zusätzlich USB-Slot. Damit kann man gleichzeitig zum Surface Pro auch ein Smartphone laden. Können andere Hersteller gerne nachmachen, es ist eine simple, aber clevere Idee.

Fazit:
Weder Fisch noch Fleisch noch Tofu. So lässt sich das Surface Pro wohl am besten zusammenfassen. Denn als Tablet ist es zu schwer. Für einen Notebook-Ersatz hält der Akku zu kurz. Und beim Thema Notizblock-Funktionalität mittels Stift spielen beide zuvor genannten Kritikpunkte eine Rolle.

Rein von der Technik gibt es dagegen kaum etwas auszusetzen. Es ist ein überaus leistungsstarker Rechner mit ausgezeichnetem HD-Display, der auch alle Funktionen von Windows 8 beherrscht. Ruckler oder sonstige Probleme konnten wir selbst bei besonders anspruchsvollen Anwendungen wie Games nicht feststellen.


Möglicherweise ist der Zug für Microsoft und das Surface Pro aber auch aufgrund von unglücklicher Markteinführung bereits abgefahren. Denn das Surface Pro, das in Deutschland ab dem nächsten Freitag erhältlich ist (in Österreich und der Schweiz ebenfalls), erscheint ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem die Fachwelt auf die Einführung der ersten Geräte mit Intels Haswell-Prozessoren wartet.

Deshalb werden wohl so manche Interessenten erstmals abwarten, was die Windows-Partner auf der Computex-Messe in Taipeh (4. bis 8. Juni) vorstellen werden und dem Surface Pro, das überdies mit 879 Euro (64 GB) bzw. 979 Euro (128 GB) nicht gerade ein Schnäppchen ist, wohl vorerst oder auch gänzlich die kalte Schulter zeigen.

Hinweis:
Wer stets zu den diversen Themen rund um Microsoft und deren Hardware auf dem neuesten Stand sein möchte, dem sei der Blick auf unsere Specials dazu empfohlen: Unter dem Stichwort Surface sind alle Artikel, Fotos und Videos zu den beiden Microsoft-Tablets zu finden. Mit der dazugehörigen Software beschäftigen sich die Sonderseiten zu Windows RT und Windows 8. Einen Blick in die Zukunft des Microsoft-Betriebssystems bekommt man im Special zu Windows 8.1.
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