Netz kann mehr als hetzen:
Große Welle der Flüchtlings-Hilfe rollt

Seit Wochen werden die Schlagzeilen immer wieder von rassistischen Krawallen bis hin zu rechten Terroranschlägen gegen Menschen bestimmt, die vor Tod und Verfolgung hierher geflohen sind. Auch auf Facebook und Co. bricht sich der blanke Hass gegen alles Fremde Bahn. Und doch ist dies letztlich nur eine laute Minderheit - weitgehend unter dem Radar bringen die vielen Online-Kanäle auch Menschen zusammen, die zusammengenommen an einer der wohl größten Hilfsaktionen der jüngeren Geschichte arbeiten.
Asyl, Flucht, Flüchtlinge
n.a.
Kriege und die Zuspitzung verschiedener anderer Krisen sorgen dafür, dass derzeit weltweit Schätzungen zufolge rund 60 Millionen Menschen ihre Heimat verließen und auf der Flucht sind. So viele waren es seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr. Rund 80 Prozent der Flüchtlings-Welle wird ausgerechnet von den ärmsten Ländern der Welt aufgefangen. Allein im Libanon gibt es zur Zeit rund 1,1 Millionen Geflüchtete aus dem Irak und Syrien - und das bei 4,5 Millionen Einwohnern. Ein kleiner Teil schafft es trotz aller Abschottung auch in die reichen Industriestaaten Europas. Und die sind schon damit oft überfordert.

(Das zivile) Berlin handelt

Beispielhaft zeigte sich dies zuletzt in Berlin, wo die zuständige Verwaltung des Landesamts für Soziales und Gesundheit (LaGeSo) weitgehend unvorbereitet damit konfrontiert war, dass auch hier mehr Geflüchtete an der zentralen Registrierungsstelle auftauchen. Die Mitarbeiter in der Behörde kamen mit der Bearbeitung der Fälle nicht mehr hinterher und wurden von der restlichen Verwaltungsstruktur und vor allem auch der Berliner Regierung erst einmal im Stich gelassen.

Als hunderte Geflüchtete quasi ohne jede Versorgung bei heißestem Sommerwetter auf ihre Registrierung warteten, war lediglich die kleine Initiative "Moabit hilft" vor Ort. Doch zeigte sich, dass beispielsweise Facebook mehr zu bieten hat, als nur die ständig gleichen Hetzparolen in den Kommentarspalten. Schnell verbreitete sich die Nachricht über die unhaltbaren Zustände vor der Behörde und die Facebook-Gruppe wurde zur Anlaufstelle für hunderte Helfer, die inzwischen seit Wochen unermüdlich im Einsatz sind: Privatleute und kleine Firmen kümmern sich auf unterschiedlichsten Ebenen, um die Lage wenigstens in halbwegs menschenwürdigen Bahnen zu halten.

Ausgehend davon haben auch mehrere bekannte Blogger die Initiative ergriffen und eine Spendensammlung gestartet, um die Arbeit von "Moabit hilft" zu unterstützen. Die Resonanz war so groß, dass die Ziele bereits nach wenigen Tagen übertroffen wurden und die eingegangenen Gelder inzwischen an mehrere andere lokale Hilfs-Projekte verteilt werden können.

Ebenfalls auf Facebook ist derweil die so genannte #‎WelcomeChallenge ins Rollen geraten. Ähnlich wie bei der "Ice Bucket Challenge" vor einem Jahr nomienieren sich mehr oder weniger bekannte Menschen und fordern zur Unterstützung von Geflüchteten auf. Die Ergebnisse reichen von Spielzeug-Spenden, die in die nächste Sammelunterkunft gebracht werden, bis hin zu Essen von Star-Köchen.

Wow, Vielen lieben Dank, Sarah Wiener für Deinen Einsatz & Deine Nominierungen #welcomechallenge

Posted by Welcome Challenge on Montag, 24. August 2015


Kleine Gesten großer Firmen

Mit wesentlich weniger Tamtam zeigen aber durchaus auch große Unternehmen, dass sie mit relativ kleinen Gesten wichtige Hilfe bereitstellen können. So berichtete der bekannte Wissenschaft-Journalist Ranga Yogeshwar davon, dass die Deutsche Telekom in wenigen Tagen eine Notunterkunft in einer Gemeinde in der Nähe von Köln mit einem kostenlosen WLAN-Hotspot ausstattete. Denn der Zugang zum Internet via Smartphone und die sich so bietenden Kommunikationsmöglichkeiten sind für viele der einzige bezahlbare Weg, mit den zurückgebliebenen Familienangehörigen und Freunden in der Heimat in Kontakt zu bleiben. Eine zunehmende Zahl von Helfern zeigte sich auch dem Verlag Langenscheidt gegenüber dankbar. Dieser hat zu ihrer Unterstützung die Bezahlschranke zum Online-Wörterbuch Arabisch-Deutsch kurzerhand abgeschaltet.

Dies sind nur sehr wenige der inzwischen sehr vielen Beispiele, wie das Netz aktuell zahlreichen engagierten Menschen hilft, den hierzulande ankommenden Geflüchteten einen guten Start in einen neuen Lebensabschnitt zu ermöglichen. Hinzu kommen zahlreiche Nutzer, die immer wieder versuchen, den Hetzkommentaren etwas entgegenzusetzen oder auf irgendeine andere Weise zu helfen. Wer sich selbst anschließen mag, muss also letztlich nur die Augen offenhalten und wird schnell andere Nutzer finden, die etwas tun, was einem selbst auch liegt. Hilfreich sind aber auch die zahlreichen lokalen Initiativen, die in zunehmender Zahl auch online zu finden sind:



Zu guter letzt ein Tipp für alle, die sich über rassistische Hetze auf Facebook ärgern: Die Erfahrungen zeigen, dass eine Meldung bei den Betreibern der Plattform nur in den seltensten Fällen hilft. Denn während man dort sofort hektisch reagiert, wenn Inhalte auch nur ein ein klein wenig zu viel Sexualität in sich bergen, nimmt man es mit menschenfeindlichen Äußerungen nicht ganz so genau. Viele Landes-Polizeien bieten inzwischen die Möglichkeit einer Online-Anzeige auf ihren Portalen und die Sachen landen längst bei Beamten, die sich beispielsweise mit Facebook gut auskennen. Aber auch Jugendschutz.net und die so genannte Internet-Beschwerdestelle nehmen Meldungen entgegen. Verschiedene Verurteilungen zu teils empfindlichen Geldstrafen zeigten zuletzt, dass dies tatsächlich etwas bringt.
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