Senf dazu: Anon, Megaupload und das dicke Ende

Seit vergangener Woche halten zwei Storys die (Internet-)Welt in Atem: Die Proteste gegen die US-Gesetzesvorlagen SOPA und PIPA und der Fall Megaupload. Eine unglückliche Rolle nimmt - vor allem was Letzteres betrifft - Anonymous ein. Keine Frage: Vieles, was Anonymous macht, hat einen ernsten und wichtigen Hintergrund. Als netzpolitisch interessierter Mensch kam man bisher nicht umhin, hin und wieder die Motive und Botschaften gut zu finden, für die Anonymous steht. Die Wahl der Mittel ist natürlich eine völlig andere Sache, hier kann und muss man vieles auch kritisch sehen.

Mit der Racheaktion für Megaupload hat sich Anonymous allerdings selbst einen schweren Schaden zugefügt, von dem man sich möglicherweise länger (wenn überhaupt) nicht erholen wird können. Denn mit Megaupload und Kim Schmitz hätte man sich keinen schlechteren "Märtyrer" aussuchen können. Spätestens als Bilder auftauchten, auf denen der Luxus-Fuhrpark von Schmitz zu sehen war, fragten sich wohl viele: Sagt mal, geht's eigentlich noch? Aus für MegauploadMegaupload hat aktuell ein einziges Bild zu bieten... Der (mehr oder weniger) spektakuläre Angriff auf die üblichen Verdächtigen, also US-Regierungsstellen, Musik- und Filmindustrie-Seiten etc., lässt Schmitz wie einen Vorkämpfer für Internet-Freiheit und gegen reformbedingte Urheberrechtgesetze dastehen. Bloß war er das nicht. Ganz im Gegenteil.

Wer sich in letzter Zeit auch nur ein klein wenig in den etwas dunkleren Ecken des Internets umgesehen hat, der wird wissen, dass Megaupload insbesondere auch in den einschlägigen Kreisen alles andere als einen guten Ruf genossen hat. Allen war es vermutlich klar: Wenn es jemanden erwischt, dann Megaupload. Das lag auch daran, dass sich der Dienst mit seinen Streaming-Angeboten auf Megavideo sehr exponierte und nicht mal im Ansatz daran dachte, seriös zu wirken.

Auch wenn man eigentlich stets das Wort mutmaßlich verwenden sollte, zumindest im aktuellen Fall, kann man mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass Kim Schmitz alias Kim Dotcom alias Dr. Kimble alias [hier einfügen] wohl vor allem eines war: ein Gauner und Abzocker (Und wer das nicht glaubt, der möge bitte nach Schmitz im Zusammenhang mit dem Namen Günter Freiherr von Gravenreuth googeln).

Und, bitte, machen wir uns nichts vor: Filehoster und illegale Inhalte und Copyright-Verstöße sind die Regel und mit Sicherheit nicht die Ausnahme. Doch während viele Filehoster zumindest halbherzige Versuche unternehmen, Copyright-Verstöße von ihren Servern zu entfernen, war das Schmitz und Co. stets vollkommen egal. Im Gegenteil: Laut Anklageschrift waren die Betreiber sogar aktiv an der Beschaffung und Verbreitung von nicht rechtmäßigem Content beteiligt. Aus für MegauploadRobin Hood fährt Benz? Für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Copyright taugt der Fall Megaupload also auf keinen Fall. Man kann und muss über eine Reform des Urheberrechts diskutieren. Aber bitte nicht auf Basis von Megaupload (Dringender Lesetipp zum Thema ist übrigens das ausgezeichnete brand-eins-Interview 'Das digitale Urheberrecht steht am Abgrund' mit dem Rechtswissenschaftler Karl-Nikolaus Peifer).

Was Megaupload ist, sollte auch Anonymous gewusst haben. Umso verwunderlich war es entsprechend, als die groß angelegte Racheaktion (von wem auch immer) ausgerufen wurde. War man sich im "Kollektiv" nicht klar, für wen man hier eigentlich in die Bresche springt? Einen unsympathischen Multimillionär mit Waffenfetisch und unzähligen Edelkarossen auf dem Grundstück einer Luxusvilla?

Auch sollte man sich schön langsam eine andere Form des Protestes einfallen lassen. Denn auch dieses Mal hieß es: Denial of Service (*Augenverdreh*). Schon wieder. Man kann sich das bei den Betroffenen bzw. Angegriffenen wohl so vorstellen: Irgendein US-Ministerium, irgendwo in Washington DC. Der Chef sagt: "Herhören, Leute: Kaffeepause. Denial of Service gibt's. Technik ist informiert, es geht demnächst weiter. Ihr kennt das Prozedere…"

Die grundsätzliche Schwierigkeit bei der ganzen Sache ist die (Nicht-)Struktur von Anonymous: Man hat bewusst (bzw. offiziell) keine Hierarchie, schließlich steckt dahinter bekanntermaßen die Idee, dass "alle" Anonymous sind. Das gilt natürlich zum Schutz der Anhänger und Aktivisten, hat aber auch unangenehme Effekte zur Folge: Jeder Pubertierende, der weiß, wie man die Bildersuche einer Suchmaschinen bedient, kann sich das Logo herunterladen, sich zum Anonymous-"Hacker" deklarieren und einen Angriff ankündigen bzw. durchführen.

Das wird für Anonymous immer mehr zum Problem: Die Idee einer strukturlosen Bewegung macht die Vermittlung einer durchdachten und konsequenten Ideologie schier unmöglich. Aus für MegauploadAls die Welt noch in Ordnung war In den Anfangstagen war das naturgemäß komplett anders: Da formierte sich über das Web (bzw. das Usenet) eine Protestgruppe, die ein Ziel hatte: die Scientology-Sekte. Als aufgeklärter Mensch konnte man damals gar nicht anders, als es gut zu finden, wie Anonymous die Pseudo-Religion ärgern konnte.

Anonymous dehnte in Folge die Aktivität auf größere Bereiche der Gesellschaft aus, auch das war richtig und wichtig. Aber seit einer Weile schon wird Anonymous immer undurchsichtiger. Als Zäsur können sicherlich die Angriffe auf die Sony-Netzwerke (und andere Gaming-Seiten) im Vorjahr angesehen werden: Nachdem es zunächst geheißen hatte, dass Anonymous dafür verantwortlich ist, distanzierten sich die Bewegung (bzw. Teile davon) von den diversen Hacks. Anders gesagt: Anonymous distanzierte sich von Anonymous.


So wurde auch im Zuge der Proteste gegen SOPA und PIPA vergangene Woche ein Angriff auf Sony angekündigt. Angeblich wollte man bei dem (für gestern angekündigten) Hack besonders auf die Wirkung in der Öffentlichkeit achten. Das Image der Bewegung sollte nicht durch "amateurhafte" Aktionen wie -Attacken geschädigt werden.

Und dann schlugen genau die in den eigenen Reihen ungeliebten "Script-Kiddies" eben bei Megaupload zu und ballerten aus allen Rohren ihrer Ionenkanonen.

Natürlich hat Anonymous längst 'erklärt', dass die Operation Megaupload "nicht zu Gunsten von Kim Schmitz und Co." durchgeführt wird. Es wäre allerdings naiv zu glauben, dass man verhindern kann, dass genau dieser Eindruck entsteht. Da kann man auch noch so oft darauf hinweisen, dass von der Megaupload-Abschaltung auch einige legale Nutzer betroffen sind, die den Dienst für legale Zwecke genutzt haben.

Es bleibt zu hoffen, dass man aus der Operation Megaupload das eine oder andere lernen kann. Denn wie bereits anfangs erwähnt: Die Ziele, Ideen und Warnungen der Bewegungen sind (zumeist) richtig. Bisher war es leicht, mit Anonymous (öffentlich oder auch heimlich) zu sympathisieren. Das wird allerdings immer schwerer…

Dieser Kommentar repräsentiert ausschließlich die Meinung des Autors und nicht zwangsläufig jene der WinFuture-Redaktion. Logo, Hacker, Anonymous Logo, Hacker, Anonymous Anonymous
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