Handy-Rasterfahndung übertrifft alle Befürchtungen

Die Funkzellenabfragen, also Rasterfahndungen über die Daten der Mobilfunkbetreiber, sind nicht - wie bisher teils vermutet, ein Ermittlungsinstrument, das nur in Sonderfällen zum Einsatz kommt.
Das zeigen aktuelle Zahlen aus Nordrhein-Westfalen (NRW). Dort wurden in den vergangenen drei Jahren von den Polizeibehörden insgesamt 10.330 Funkzellenabfragen durchgeführt, mit denen die Verbindungs- und Standortdaten von Mobiltelefonen aller Nutzer übermittelt werden, die im fraglichen Zeitrahmen in der oder den Funkzellen eingeloggt sind, der für die Ermittlungen relevant ist.

Die Funkzellenabfragen wurden das erste Mal breiter in der Öffentlichkeit diskutiert, als die sächsische Polizei im Februar 2011 diese Überwachungsmethode im Rahmen der Proteste gegen einen Neonazi-Aufmarsch einsetzte. Dadurch sollte laut den Behörden geprüft werden, ob sich bestimmte Personen, die man bereits im Vorfeld für verdächtig hielt, in einer bestimmten Region Dresdens aufhielten. Im Zuge dessen wurden die Daten tausender Demonstrations-Teilnehmer sowie von anwesenden Journalisten, Abgeordneten und Anwälten abgegriffen.

Aufsehen erregte auch der Einsatz der Funkzellenabfrage bei der Fahndung nach einem Autobrandstifter in Berlin. Auch hier waren tausende unbeteiligte Bürger von der Überwachungsmaßnahme betroffen. Der Täter wurde letztlich mit herkömmlichen Ermittlungsmethoden gefunden. Die beiden Fälle erweckten dabei den Eindruck, dass die Polizei diese Methode, deren Durchführung rechtlich laut verschiedenen Experten zumindest zweifelhaft ist, eher in besonderen Fällen einsetzt.

Bereits weitergehende Zahlen aus Berlin und Schleswig-Holstein zeigten jedoch, dass sie viel häufiger eingesetzt wird. Und NRW markiert hier einen neuen Höhepunkt. Durchschnittlich werden hier von der Polizei laut den Daten etwa zehn solcher Abfragen am Tag durchgeführt. Statistisch gesehen sind so inzwischen längst die Mobilfunkdaten aller Einwohner des Bundeslandes Gegenstand von Ermittlungen geworden.

Die aktuellen Zahlen stammen aus einer Antwort der Landesregierung NRWs auf eine Anfrage der Fraktion der Piratenpartei. Diese hatte sie stellvertretend für Andre Meister gestellt, der das Thema schon seit dem Vorfall in Dresden für das Blog Netzpolitik.org betreut.

Zusätzlich zu der Menge, die alle bisherigen Schätzungen von Datenschutz-Aktivisten übertrifft, kommt als Problem hinzu, in welchen Bereichen die Funkzellenabfrage eingesetzt wird. "Der weitaus größte Teil der Handyüberwachung wird jedoch wegen Eigentumsdelikten durchgeführt: Diebstahl, Bandendiebstahl, Raub und Erpressung. Sicherlich unangenehmen Straftaten, aber keine 'schwersten Straftaten gegen Leib, Leben oder die sexuelle Selbstbestimmung', mit denen die Maßnahme politisch begründet wird", erklärte Meister.

Hinzu kommt, dass die Behörden sich hier nicht in der Pflicht sehen, Betroffene darüber zu informieren, dass ihre Daten in die Akten eines Strafverfahrens eingegangen sind - wie es normalerweise vorgeschrieben ist. Hierbei beruft man sich auf eine Ausnahmeklausel, nach der eine Benachrichtung unterlassen werden kann, wenn anzunehmen ist, dass kein Interesse seitens der Betroffenen besteht.

"Diese skandalöse Menge an Funkzellenabfragen ist kaum zu glauben", so die Reaktion von Frank Herrmann, Sprecher für Datenschutz und Privatsphäre der Piratenfraktion im Landtag NRW, auf die neuen Daten. "Diese Dauerüberwachung der Bürger muss abgestellt werden. Die nicht-individualisierte Funkzellenabfrage gehört abgeschafft, vor allem bei nicht schwerwiegender Kriminalität."
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