Neue High Tech-Verfahren können endlich viele Tierversuche ersetzen

Neue High Tech-Verfahren bieten das Potenzial, zukünftig einen großen Teil der Tierversuche in der Forschung an Medikamenten und anderen Substanzen überflüssig zu machen. Dabei wird organisches Gewebe mit elektronischen Komponenten kombiniert.
Der Überbegriff für die neuen Technologien lautet mikrophysiologische Systeme oder MPS. Zu diesen gehört eine ganze Gruppe wie Tumoroide, Organoide und Organ-on-a-Chip. Die Organoide werden beispielsweise aus Stammzellen gezüchtet und bilden ein 3D-Gewebe, das menschlichen Organen im Miniaturformat ähnelt. Herzorganoide schlagen dabei beispielsweise sogar wie ein echtes Herz.

Noch einen Schritt weiter gehen Organ-on-a-Chip-Systeme. Hier werden aus Stammzellen Gewebe gezüchtet, die in elektronische Schaltkreise eingebettet sind, die die Mechanik des gewünschten Organs stimulieren. Das hat zusätzlich den Vorteil, dass auch gleich Daten aus dem Untersuchungsobjekt gewonnen werden können.


Komplexe Systeme

"Wir müssen uns systematisch vom Tier wegbewegen", sagte Salim Abdool Karim, Südafrikas führender Experte für Infektionskrankheiten, gegenüber der Financial Times. Trivial ist dies allerdings nicht. Entgegen so mancher Gruselgeschichte sind Wissenschaftler letztlich keine Personen, die skrupellos mit wehrlosen Tieren experimentieren. Doch gibt es für bestimmte Untersuchungen bisher kaum eine Alternative - insbesondere dann, wenn die Wirkung bestimmter Substanzen nicht nur auf einen einfachen Zellhaufen, sondern auf ein komplexeres Organ-System untersucht werden muss.

Die letzten Jahre haben in der Arbeit mit den neuen High Tech-Alternativen aber einen großen Schritt nach vorn gebracht - auch wegen Corona. "Als wir anfingen, mussten wir den Leuten erklären, was Organoide sind", erklärte Nathalie Brandenburg, die 2016 das Schweizer Start-up-Unternehmen Sun Bioscience mitbegründet hat, von dem Standardversionen von Organoiden entwickelt werden. Als nun aber beispielsweise viele Forscher aus den Pharmaunternehmen im Homeoffice saßen und mehr Zeit hatten, sich über ihren bisherigen Alltag hinausgehend zu informieren, stieg die Nachfrage nach den neuen Testverfahren zunehmend an.

Neue Hoffnung für Kranke

Und noch ein Aspekt spielt den Entwicklern der MPS-Verfahren in die Karten: "Es gibt 7.000 seltene Krankheiten, von denen nur 400 aktiv erforscht werden, weil es keine Tiermodelle gibt", sagte James Hickman, leitender Wissenschaftler bei Hesperos, einem Organ-on-a-Chip-Unternehmen mit Sitz in Florida. Jetzt lassen sich gezielt Organoide aus menschlichen Stammzellen züchten, mit denen endlich auch an den bisher unberücksichtigten Erkrankungen geforscht werden kann, was für viele Betroffene eine ganz neue Hoffnung bringen kann.

Siehe auch: Nicht nur Menschen: Musks Hirnchip hebt Tierversuche auf neue Ebene
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