Im Gehirn des Piloten

Gut zwei Monate nach dem Absturz des Airbus A320 der Lufthansa-Tochter Germanwings in den französischen Alpen sucht die Luftfahrt nach Lehren aus der Tragödie. Nach Ansicht der Ermittler steuerte der psychisch "kranke Copilot die Maschine absichtlich gegen einen Berg", während der Pilot nicht im Cockpit war. Alle 150 Menschen an Bord starben.

Internationale Studie

Ein einzigartiger Fall, aus dem sich nicht so einfach Konsequenzen für die Flugsicherheit ableiten lassen. Neue Erkenntnisse über das, was sich im Gehirn eines Piloten im Cockpit abspielt, liefert dafür eine gemeinsame Studie von Experten aus Frankreich, den USA und Japan.

Fehler können geschehen, ganz gleich, wie erfahren und routiniert ein Pilot ist. Im Flugsimulator im französischen Toulouse messen die Forscher wichtige Parameter wie Augenbewegungen und Hirnaktivität unter Einwirkung von Stress.

Mickael Causse, ISAE Supaero: "Wir versuchen, den menschlichen Faktor unter Hinzuziehung neurowissenschaftlicher Instrumente besser zu verstehen, beispielsweise Enzephalogramme, indem wir Parameter wie Puls, Atmung, Transpiration oder mithilfe von Eyetracking die Erweiterung der Pupille messen, die Blickrichtung der Augen verfolgen. All das nutzen wir, um menschliche Reaktionen unter verschärften Bedingungen, unter Einwirkung von Stress oder Müdigkeit besser zu verstehen und möglicherweise vermeidbare Unfälle zu verhindern."

Die Testreihe wird an Bord eines Flugzeugs fortgesetzt. Wieder trägt der Pilot eine Elektrodenkappe, um die Hirnaktivität zu messen. Hinzu kommt die Eyetracking-Vorrichtung. Frédéric Dehais, ISAE Supaero: "Das ist ein ultraleichtes Gestell, das weniger als 80 Gramm wiegt. Es verfügt über eine Frontalkamera, damit sehen wir, was der Pilot sieht, aus seinem Blickwinkel. Und wir haben eine weitere, kleinere Kamera, die die Pupille filmt und die uns in Echtzeit zeigt, wo genau der Pilot hinschaut."

Anhand ihrer Messinstrumente erkennen die Forscher, wenn es dem Piloten schwerfällt, auf komplexe Situationen oder Notfälle angemessen zu reagieren. In extremen Stressmomenten können Alarmsignale unwillentlich ignoriert werden, weil sich der Pilot nur noch auf sein unmittelbares Blickfeld konzentriert.

Fazit:

Im Cockpit der Zukunft sollte die Informationslast auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden.

Vollautomatisiertes Cockpit unwahrscheinlich

Daniel Callan, NICT, Osaka: "Im Cockpit der Zukunft wird es eine hoffentlich nicht-invasive Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine geben, die dazu in der Lage ist, die Aufmerksamkeit und die Überlastung des Piloten zu überwachen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Zum Beispiel mithilfe von Head-up-Displays, die den Piloten Informationen auf optimale Weise liefern, damit sie sich in Stresssituationen nur auf das konzentrieren, was wirklich zählt."

Seit der Germanwings-Katastrophe wird viel über die Überwachung der Flugtauglichkeit von Piloten diskutiert und wie sich der menschliche Risikofaktor auf ein Minimum reduzieren lässt. Ein vollkommen automatisiertes Cockpit ganz ohne Piloten wird es dem Experten zufolge wohl nie geben.

Mickael Causse, ISAE Supaero: "Es gibt zunächst einmal eine psychologische Hemmschwelle: Werden Passagiere in ein Flugzeug ohne Piloten steigen? Die Antwort lautet derzeit wohl sicherlich nein. Nur ein einziger Pilot im Cockpit, das hat leider der Germanwings-Unfall gezeigt, kann zu Problemen führen. Fürs Erste brauchen wir nach wie vor zwei Piloten im Cockpit."

Nichtsdestotrotz eröffnet die Studie neue Perspektiven. Sie könnte nicht nur bei der Gestaltung künftiger Cockpits, sondern auch bei der Auswahl und Ausbildung von Piloten zum Tragen kommen.

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