Vivaldi-Chef über Microsoft: "Nutzer überzeugt man nicht durch Zwang"

In einem Interview kurz nach der Veröffentlichung der ersten Vivaldi-Version sagten sie, dass es mühsam ist, ständig auf die Chromium-Änderungen reagieren zu müssen. Hat sich das geändert bzw. verbessert?

JvT: Wir haben nach wie vor mit der Komplexität dieser Sache zu tun. Es ist natürlich viel einfacher, eine eigene Code-Basis zu haben. Aber wir haben bei Vivaldi keine Wahl. Ich weiß, wie viel Zeit wir bei Opera damit verbracht haben. Als Opera beschlossen hat, sich von Presto zu trennen, waren 100 Leute daran beschäftigt. Und wir hätten sogar mehr Mitarbeiter gebraucht. Wir haben bei Vivaldi wirklich smarte Leute und die managen dieses wirklich komplexe Ding namens Chromium. Vor allem wollen wir nicht bloß ein draufgesetzte Schicht sein und setzen Änderungen um, die die Sache immer wieder verkomplizieren. Aber wir schaffen das.

Vivaldi: Neuer BrowserVivaldi: Neuer BrowserVivaldi: Neuer BrowserVivaldi: Neuer Browser
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Was sind die aktuellen Nutzungszahlen von Vivaldi?

JvT: Wir sind immer noch verhältnismäßig klein und bewegen uns auf die erste Million aktiver Nutzer zu. Insgesamt kommen wir auf etwa fünf Millionen Downloads, wobei einige davon mehrmalige Downloads einzelner Nutzer sind (nicht aber Auto-Updates). Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, bis wir profitabel sind, aber ich bin zufrieden.

Macht es die technisch besonders interessierte Kerngruppe von Nutzern nicht schwerer, in die schwarzen Zahlen zu kommen?

JvT: Die Finanzierung erfolgt im Prinzip ausschließlich durch mich. Wir wollen keine anderen Investoren. Es gab zwar viel Interesse, aber das ist nicht unser Ziel. Denn wenn man Investoren ins Boot holt, dann wollen die ein bestimmtes Ergebnis. Wir wollen natürlich einen Profit generieren, da wir unsere Rechnungen zahlen müssen. Das ist aber nicht das, was uns vorantreibt, bis dahin zahle ich die Rechnungen. Unser Finanzierungsmodell funktioniert, braucht aber noch mehr Anwender. Bei Opera haben wir pro Jahr etwa einen Dollar pro Nutzer eingenommen, das geht vor allem über die Suche und einige Partner. Wir sind noch nicht beim erwähnten Dollar, aber die Richtung stimmt. Jon von TetzchnerJon von Tetzchner: 'Ich bezahle die Rechnungen bis wir in den schwarzen Zahlen sind' AdBlocker sind ein aktuell beherrschendes Thema in der Browser-Szene. Was denken sie über das Verändern von Inhalten, also auch das Entfernen der mitgelieferten Werbung, durch Browser bzw. Erweiterungen?

JvT: Wir haben uns dagegen entschieden. Wenn die Leute einen Blocker wollen, dann können sie sich einen installieren. Was die Lesbarkeit von Seiten betrifft, ist das eine andere Geschichte, deshalb haben auch wir einen Reader-Modus. Aber auch das ist eine Wahl des Nutzers, wir wollen das nicht automatisch tun. Wir verstehen auch die Bedeutung von Businessmodellen. Das Internet ist zu wichtig, um zu einer Bezahlvariante zu wechseln. Deshalb bin ich selbst mit eingeschalteter Werbung unterwegs, weil es mir ein persönliches Anliegen ist, die Seiten, die ich gerne besuche, zu unterstützen.

Ein anderes aktuell besonders populäres Thema ist Virtual Reality. Wird VR irgendwann einmal die Art, wie wir Internet-Inhalte und somit auch Browser nutzen, verändern?

JvT: VR ist ja eigentlich nichts Neues. Ich kann mich etwa an VRML erinnern: Es gab also vor rund zwei Jahrzehnten eine Virtual Reality Markup Language. Dann gab es auch noch Second Life und solche Sachen. Und jedes Mal hieß es, dass sich dadurch das Browsing verändern wird. Solche Sachen haben eine Funktion, die Frage ist aber, ob diese eine Verbesserung zum Bisherigen darstellt. Es gibt natürlich coole Anwendungsgebiete. Will man aber wirklich ein Interface wie in Minority Report, bei dem man Inhalte ständig verschieben muss und diese durch die Gegend fliegen? Ich bin mir nicht sicher.

Wie sieht es mit einem anderen Trendthema, Spracherkennung, aus?

JvT: Das hängt wieder davon ab, was man tun möchte. Die meisten von uns tippen schneller als sie sprechen. Wir können dabei auch viel genauer sein. Aber Spracherkennung ist vielfach sehr sinnvoll, etwa für Leute mit Behinderungen oder wenn sie langsame Tipper sind. Wir haben uns bei Opera damit schon zu einem Zeitpunkt beschäftigt als die Technologie noch viel unausgereifter war. Aber es gibt immer noch Probleme. Im Normalfall nutze ich Spracherkennung, wenn ich im Auto sitze und jemanden anrufen will. Und das funktioniert nur in 90 Prozent der Fälle.

Browser sehen im Großen und Ganzen alle nahezu gleich aus, auch weil wir erwarten, wie sie funktionieren sollten. Gibt es etwas, was Sie gerne (anders) machen würden, aber nicht können?

JvT: Die ganze Zeit. Wir machen es aber auch ständig anders und haben auch keine Angst davor. Aber man muss auch zusehen, dass man Dinge sinnvoll anders macht und nicht nur deshalb, weil man zwingend etwas anderes machen will. Und viele übertreiben es hier, brechen mit Gewohnheiten der Nutzer und das irritiert die Leute.

Eine dieser "Gewohnheiten" war früher der Internet Explorer. Wie konnte Microsoft seinen so riesigen Marktanteil verlieren und auch mit dem Nachfolger Edge den Anschluss verpassen?

JvT: Sie haben den Ball fallengelassen und haben den IE lange Zeit nicht weiterentwickelt. Und lange war der Fokus des IE, die Leute darin einzusperren, etwa aus Gründen der Kompatibilität. Dann hat sich aber etwas verändert und plötzlich war der IE eine Last. Man brauchte zu lange bis zu Edge, der sicherlich eine Verbesserung ist, aber eine stufenweise, die durchaus auch noch einige Probleme hat. Und die sind auch selbst verschuldet, weil es etwa Kompatibilitätsschwierigkeiten gibt. Das ist lustig und traurig zugleich, da Microsoft diese gewisserweise selbst erschaffen hat.

Lag es auch daran, dass Microsoft einige wichtige Features wie Erweiterungen erst sehr viel später nachgereicht hat?

JvT: Ich glaube eher, dass es daran lag, dass der Browser nichts Besonderes war. Er hatte eine frischere Optik, was nett ist, er hat einige gute Features, aber kein einzigartiges "Verkaufsargument." Ich finde auch, dass Microsoft nach wie vor den Fehler macht, Nutzer zum Einsatz des Browsers zu zwingen, statt zu versuchen, sie zu gewinnen. Der Endanwender muss immer zuerst kommen und da hilft es nicht, wenn dieser den Default-Browser alle paar Wochen neu einstellen muss.

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