Angespielt: Titanfall - Der erste echte Systemseller

Titanfall ist das für Microsoft wichtigste Spiel des Jahres bzw. der Next-Gen-Startphase. Im Gegensatz zum artverwandten Halo ist es aber nicht einmal eine Eigenproduktion. Doch ist Titanfall Hype oder Segen?
Electronic Arts, Ea, Shooter, Titanfall
EA
Die kurze Antwort: Es ist beides. Kaum ein Spiel wurde medial so in den Vordergrund gerückt, da kann und muss man schon skeptisch sein. Doch auch wenn der Electronic-Arts-Titel, der unter der Führung der Call-of-Duty-Veteranen Jason West und Vince Zampella entwickelt worden ist, nicht perfekt ist: Er kommt womöglich zum perfekten Zeitpunkt.

Denn Mitte März herrscht in der Konsolenwelt ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Sony hat mit der PlayStation 4 einen klar besseren Start erwischt, diesen Vorsprung aber inzwischen tendenziell verspielt. Grund dafür ist vermutlich die strategische Entscheidung Sonys, in deutlich mehr Ländern auf den Markt zu gehen.


Das schien zunächst wie eine hervorragende Idee. Man überrumpelte Microsoft, die mediale Aufmerksamkeit richtete sich schnell auf die PS4. Die spärliche Verfügbarkeit war für viele Beobachter auch der Beweis, dass Sony die Nase vorne hat, rein von der Technik ist es ohnehin nicht zu leugnen, dass die PS4 die bessere Konsole ist.

Kurzum: Sony hatte im November und Dezember das englischsprachige "Momentum" auf seiner Seite. Doch dann kam der Januar, der Februar und nun haben wir März. Und wie sieht es mit PlayStation-4-Geräten aus? Weit und breit keine in Sicht. Wer 2013 nicht schnell war oder viel Geld bezahlte, der wartet immer noch auf (s)eine Konsole. Sony äußert sich praktisch gar nicht dazu, nicht einmal vorsichtige Andeutungen dringen nach außen.

Und nun kommt Titanfall, ein Shooter, der zwar auch für den PC verfügbar ist, auf Konsolen aber exklusiv Microsoft gehört. Titanfall ist ein klarer Systemseller, der erste, der direkt für Konsolenverkäufe in Millionenhöhe verantwortlich sein könnte. Es ist nämlich sehr gut denkbar, dass so mancher nach wie vor wartende PS4-Interessent sich den EA-Sci-Fi-Shooter zum Anlass nimmt, sich statt einer Sony-Konsole eine Xbox One zu holen (Anm: Wir haben die Konsolen-Version getestet).

Die "Kampagne"
Titanfall startet ohne viel Schnörkel: Ein kurzes Intro reißt die Spielwelt im Schnelldurchlauf an (irgendwas mit Weltraum-Kolonien), warum dort gekämpft wird und wer beteiligt ist, kann man sich höchstens denken. Entwickler Respawn Entertainment steckt hier kaum Energien rein, was aber angesichts des erklärten Multiplayer-Ziels nachvollziehbar ist.

Zunächst müssen alle neuen Titanfall-Piloten durch ein kurzes und auch sinnvolles Tutorial. Das leistet einen guten Job, die wichtigsten Spielelemente zu erklären, ohne Profis allzu lange damit zu nerven. Danach landet man in der Lobby, die Zugang zu Spielen, Spieler- und Titan-Set-Ups sowie sonstigen Statistiken und Einstellungen bietet.


Dort entdeckt man auch eine erste Überraschung: Entgegen aller Meldungen im Vorfeld gibt es doch eine "Kampagne", doch diese Spielart als solche zu bezeichnen ist zumindest frech: Hier spielt man auf Seiten der IMC und der gegnerischen Miliz die Karten und die beiden wichtigsten Spielmodi (Attrition und Hardpoint Domination) einmal durch. Dazu gibt es etwas, das man höchstens entfernt als Rahmenhandlung bezeichnen kann: In kurzen Intros und Funksprüchen während der Matches bekommt man einige Zusatzinfos, richtig schlau wird man daraus aber auch nicht.

Natürlich kann man anführen, dass gar keine Kampagne besser ist als eine halbherzige (Call of Duty und Battlefield sind da ja auch keine Meister), ein wenig mehr würde man über die Titanfall-Welt und vor allem die Titans genannten Mechs schon erfahren. Aber wie erwähnt: Titanfall will nichts anderes sein als ein astreiner Multiplayer-Shooter.

Dumm wie B(r)ot
Spielen sollte man die "Kampagne" trotzdem, weil dort vielfach niedrige Spielerlevel unterwegs sind und man auch trotz einer fast schon sagenhaften Eingängigkeit anfangs öfter ins Gras beißt. Zunächst muss man eben Gameplay, Karten und Waffen etwas besser kennenlernen, das ist schließlich in allen Shooter-Spielen so.

Für viele Nicht-Multiplayer-Spieler ist diese Phase in Shootern aber in mehrfacher Hinsicht tödlich: Denn wenn sich die Erfolgserlebnisse nicht gleich einstellen und man ständig nur als riesige Zielscheibe durch die Gegend rennt, sind Zwischendurchspieler schnell frustriert und kehren dem Multiplayer schnell den Rücken zu.

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Doch hier macht Titanfall alles richtig, Grund sind die von vielen kritisch beäugten Bots. Denn bei Titanfall sind nur zwölf menschliche Spieler unterwegs, den Rest übernimmt die KI. Doch das erweist sich als brillante Idee: Die KI-Einheiten bieten nämlich Einsteigern und weniger erfahrenen Spielern die Möglichkeit, auch den einen oder anderen Abschuss bzw. Punkt zu sammeln. Profis stören sie wohl auch nicht, da dadurch keine "Wo sind die alle hin?"-Leerläufe entstehen. Intelligent agieren die KI-Kameraden aber nicht und sind dadurch auch alles andere als eine Bedrohung, was aber womöglich Absicht ist.

Balance! Balance! Balance!
Im Vorfeld gab es für Titanfall Vorschusslorbeeren vor allem für zwei Punkte: Gameplay und Balance. Und von den Machern der ursprünglichen CoD-Spiele konnte man auch nichts Weniger erwarten. Glücklicherweise gelingt Respawn in beiden Fällen tatsächlich eine Punktlandung. TitanfallDie 'Wallruns' sind zweifellos Spielspaß-Garanten Der Spielablauf ist außerordentlich dynamisch und schnell, was man auch der Fähigkeit zu "Wallruns" zuschreiben kann. Titanfall macht das Laufen über Wände und akrobatische Doppelsprünge zum essentiellen Faktor und das funktioniert auch sehr eingängig, schnell wird einfache Fortbewegung zu einem entscheidenden Spielspaßelement.

Die jeweiligen Klassen, die durch die Wahl der Primärwaffe vorgegeben sind, kann man nur als perfekt ausbalanciert bezeichnen. Keine Waffe bietet einen entscheidenden Vorteil bzw. wird das stets durch einen mindestens genauso großen Nachteil aufgewogen.

Selbst die stets gefürchteten Scharfschützen verlieren ihren Schrecken, da durch die Dynamik des Spielverlaufes sowie das sehr gute Map-Design die Nah- und Mittelstreckenkämpfer nicht bloß zu Schießbudenfiguren werden. Eher im Gegenteil: In den ersten Tagen war tendenziell eine Sniper-Knappheit zu beobachten, was uns ehrlich gesagt alles andere als gestört hat. TitanfallInfanteristen sind den Titans zwar unterlegen, sie sind aber auch alles andere als hilflos Zum Thema Waffen (Der Spieler hat stets Primär- und Sekundärwaffe sowie Anti-Titan-Wumme im Gepäck) sollte es eine Sondererwähnung geben: die Smart-Gun. Diese erfasst den Gegner in einem großen Bereich des Sichtfeldes, bei (einfachen) KI-Einheiten ist ein einfacher (aber mehrfacher) "Lock", bei einem menschlichen Kontrahenten hingegen eine dreifache Ziel-Fixierung notwendig. Damit klingt die smarte Knarre "overpowered", sie ist es aber nicht.

Denn bis ein menschlicher Spieler korrekt erfasst ist, vergeht einiges an Zeit, während der man hilflos ist und leicht zum Opfer wird. Denn ist ein Gegner schnell, dann ist man schneller tot als man zur normalen Pistole wechseln kann - denn ohne automatische Erfassung ist die Smart-Gun völlig nutzlos. Spaß macht das Ballern damit jedenfalls ungemein.

Titan, fall!
Das Kunststück, das Repawn gelingt, sind die Titans und wie man sie ins Spiel integriert hat. Denn Titans sind Kampfkolosse mit schweren Waffen, die Infanteristen meist mit einem Schuss zur Strecke bringen können. Übermächtig sind sie deshalb aber noch lange nicht: Ein Fußsoldat ist keinesfalls wehrlos, da er zum einen eine spezielle Waffe hat und zum anderen sich flink in einen sicheren Raum oder Gang retten kann. Zudem können sie nicht unbegrenzt (von oben) angefordert werden, sondern nur alle paar Minuten.


Sitzt man in einem Titan, dann sollte man sich schnell abgewöhnen, sich in diesem Koloss unbesiegbar zu fühlen. Denn der Ritt dauert oftmals nur ein paar Sekunden, wenn man sich nicht bewegt und stumpf den Gegner mit den Waffen beharkt. Selbst ein Infanterist kann einen ordentlich ärger, wenn man wie festgegossen in der Gegend rumsteht.

Springen können Titans nicht, aber dank Boost kurze Strecken schnell überwinden. Der Pilot kann auch jederzeit aussteigen und sein Fortbewegungsmittel in Auto-Modus stellen. Auch das erlaubt so manche taktische Finte und wird zur Notwendigkeit, wenn sich ein Gegner am eigenen Titan festklemmt.


Ist der Titan einmal kurz vor dem Explodieren, dann gilt es, schnell per "Schleudersitz" auszusteigen. Man wird in die Luft geschleudert, Zeit zum Verschnaufen bleibt aber keine, da man auch schon in der Flugphase sofort seine Landung planen sollte.

Wer die Titans blöd findet, der kann auch komplett darauf verzichten. Titanfall kann man auch komplett zu Fuß spielen und hat trotzdem seinen Spaß. Das ist ein weiterer Faktor, der die Balance des Spiels so einzigartig macht.


Freilich ist Titanfall derzeit vor allem ein fröhliches Durcheinander. Taktisches Vorgehen hat sich auch knapp eine Woche nach Start noch nicht herauskristallisiert, das ist aber wohl nur eine Frage der Zeit. Titanfall hat so manche Möglichkeit für koordiniertes Spiel, ein Taktik-Shooter wird man aber auch nie sein.

Ein Kritikpunkt, den Repawn schleunigst lösen sollte, ist aber das Matchmaking: Derzeit werden nämlich immer wieder Spieler mit hohen Leveln mit niedrigstufigen Einsteigern zusammengewürfelt, dadurch ergibt sich ein Ungleichgewicht. Das ist auch der einzige echte Balance-Makel, was aber auch nachträglich lösbar sein dürfte.

Spieler-Stufen und Burn Cards
Beim Drumherum macht Respawn Genre-übliche Kost: Man sammelt auf unterschiedlichsten Arten Erfahrungspunkte, jede neue Stufe schaltet irgendetwas frei, Waffen, Titan-Chassis, Spezialfähigkeiten und ähnliches.

Stufenaufstiege sind auch mit Hilfe der überaus zahlreichen und motivierenden Herausforderungen möglich, denn auch dafür erhält man Erfahrung. Und diese Sonderbelohnungen sind sehr vielfältig, so werden beispielsweise Abschüsse mit bestimmten Waffen oder per Titan zurückgelegten Strecken mit Extrapunkten belohnt.


Perks gibt es auch und zwar in Form der so genannten Burn Cards. Davon kann man vor dem Spiel bzw. vor einem Respawn drei auswählen. Die Karten geben einem bis zum Tod (Praxis: meistens) oder dem Ende der Partie (selten) einen speziellen Bonus, etwa stärkere und genauere Waffen, Erfahrungsschübe oder schnellere Fortbewegung. Auch die Burn Cards sorgen für keine nennenswerten Einbußen der Spielbalance, man freut sich aber immer wieder, wenn die aktuelle Wahl mal funktioniert und etwas gebracht hat.

Die Technik
Titanfall ist für die Xbox One das Next-Gen-Spiel schlechthin, doch selbst am Paradespiel für die dritte Microsoft-Konsole sind an einigen Stellen technische Unzulänglichkeiten zu erkennen. Ob diese tatsächlich mit der vermeintlich (bzw. im Vergleich zur PS4) schwächeren Hardware zusammenhängen, lässt sich nicht eindeutig sagen, da man nicht ausschließen kann, dass der Code noch nachträglich per Patch optimiert werden wird.

Das betrifft ganz allgemein die Grafik. Diese ist zwar keinesfalls schlecht, das ganz große Next-Gen-WTF-Feeling vermittelt sie jedoch nicht. Man merkt, dass die eingesetzte Engine (Source) in Summe schon das eine oder andere Jährchen auf dem Buckel hat. Generell ist das Artdesign aber sehr gelungen und präsentiert eine sehr bunte, aber auch stimmungsvolle Science-Fiction-Welt.


Unangenehm fallen hingegen die Framerate-Einbrüche auf: Die 60fps können zwar über weite Strecken problemlos gehalten werden, bei besonders viel Bildschirm-Geschehen geht die Bildrate aber teils spürbar in die Knie. Die meiste Zeit merkt man nicht viel davon, doch ab und an kommt es zu richtiggehenden Hängern, die eine gefühlte Ewigkeit dauern, sodass man fast schon glaubt, dass das Spiel abgestürzt ist. Allzu oft passiert das aber auch nicht und vielleicht können die Entwickler das noch nachträglich entschärfen.

Wie schlimm man die für Next-Gen-Verhältnisse "nur" gute Grafik sieht, das bleibt jedem selbst überlassen. Angesichts der Dauer-Action bleibt für Sightseeing ohnehin kaum Zeit. Als weiteres Argument kann man auch anführen, dass übertrieben viele Spezialeffekte zu sehr vom eigentlichen Multiplayer-Geschehen ablenken könnten.

Schade ist jedoch, dass die Umgebung praktisch gar nicht zerstörbar ist. Das liegt womöglich an der fehlenden Hardware-Leistung, eine andere Erklärung ist, dass die vielgelobte Balance darunter gelitten hätte. Vor allem die Titans würden mit ihren Großkalibern die Spielumgebung innerhalb kürzester Zeit komplett in Schutt und Asche legen. Ein bisschen mehr hätte es aber schon sein dürfen.

Fazit
Ist Titanfall das perfekte Multiplayer-Spiel? Man kommt zwar in die Nähe, aber auch nicht ganz heran. Kommt Titanfall für Microsoft zum perfekten Zeitpunkt? Sehr gut möglich. Sollte man sich anlässlich Titanfall eine Xbox One holen? Das kommt auf den Geldbeutel an, wer aber schon länger mit diesem Gedanken spielt, der hat nun einen Grund dazu.


Eine wichtige Voraussetzung ist natürlich, dass man keine allzu große Multiplayer-Allergie hat. Dezidierte Einzelspieler sollten Titanfall meiden, da ihnen keinerlei Inhalte geboten werden. Wer hingegen Multiplayer gerne, aber auch nur gelegentlich ausprobiert, der sollte einen Blick auf Titanfall werfen, vor allem weil der Shooter auch weniger Genre-erfahrenen Spielern den Einstieg erleichtert und ihnen auch später immer wieder Erfolgserlebnisse bietet.

Titanfall ist zweifellos der erste Titel, der zum Systemseller taugt. Und offenbar ist das auch der Falle. Denn erste Zahlen aus Großbritannien zeigen, dass Microsoft dort in der Titanfall-Startwoche seine Verkäufe nahezu verdoppeln konnte.

Das Next-Gen-Rennen wird auch Titanfall nicht entscheiden, das Spiel könnte aber so manchem die Entscheidung zugunsten von Microsoft erleichtern. Überhaupt stellt sich schön langsam die Frage, ob diese Generation jemals einen klaren Gewinner sehen wird. Davon dürften aber beide Seiten profitieren, da damit sichergestellt wird, dass sich Sony und Microsoft noch lange zu gegenseitigen Höchstleistungen antreiben werden. Und davon können sowohl PS4- als auch Xbox-One-Besitzer nur profitieren.
Xbox One, Titanfall-Bundle:

Titanfall für den PC:

Titanfall für die Xbox One:

Titanfall für die Xbox 360:


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